Angelika Zahrnt, mit Irmi Seidl gemeinsam Autorin des Buches „Postwachstumsgesellschaft“, erklärte in einem von SERI und Club of Rome gemeinsam organisierten Workshop zum Thema „Säkulare Stagnation“ die Begriffe Wachstum und Stagnation. Die Hypothese einer lang andauernden Wachstumsschwäche geht auf schon auf die 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Während diese Situation lange Zeit als negativ und zu überwinden angesehen wurde, mehren sich heute die Stimmen, die eine Schrumpfung zwar nicht zum Ziel haben, aber danach fragen, wie denn mit einer solchen Situation umzugehen sei. Sie zitiert daher Barry Eichengreen, der „säkulare Stagnation“ als Rorschach-Test für Ökonomen bezeichnet: „it means different things to different people“. Vor etwa 2 Jahren hat der amerikanische Ökonom und Finanzminister unter Bill Clinton Larry Summers die Debatte neu belebt, die aber auf die Umwelt keinerlei Bezug nimmt.
Es gibt viele Gründe für niedriges Wachstum, z.B. die Alterung der Gesellschaft, Ressourcenknappheit, Konsumsättigung, Verschuldung und/oder hohe Zinsen. „Auf diese Gründe muss jeweils Bezug genommen werden, wenn wir (wie auch immer) damit umgehen wollen.“ Und: diese Debatte sollte aber die vielen Argumente der „Postwachstums“-Bewegung berücksichtigen, die sich schon länger mit der Frage beschäftigen, „was dann“.
Immerhin haben die durchaus als konservativ zu bezeichnenden Wirtschaftsforschungsinstitute IW und RWI vor Kurzem über die Zukunft Österreichs unter „Minimalwachstumsbedingungen“ Gedanken gemacht, und davon ausgehend darüber, wie Österreich unter diesen Bedingungen umzustrukturieren sei. Umgekehrt sollten aber, so Zahrnt, auch „Postwachstumsökonomen“ sich mehr mit der Hypothese einer säkularen Stagnation auseinander setzen, als mit der Frage: wieviel Wachstum wollen wir?
„Die Ursache der großen Krise Europas ist NICHT eine „säkulare Stagnation“, sondern eine falsche Navigationskarte“, sagt dagegen Stephan Schulmeister. Für ihn ist sie Teil der Verdrängungsstrategie der Mainstreamökonomen, die mit der Krise nichts zu tun haben wollen, die sie aber sehr wohl durch ihre Lehren mit verursacht haben. Die Rahmenbedingungen der Marktwirtschaft wurden so verändert, dass Unternehmertum immer schwieriger wurde, während die Finanzwirtschaft eine Aufgabe hat, so Schulmeister.
Die Finanzkrise 2008 war kein Betriebsunfall sondern eine Koinzidenz dreier „Bären“-Märkte: Aktion, Rohstoffe und Immobilien. Die von Summers & Co gemachten Vorschläge seien wesentlich von Interessen der Kapitalbesitzer gesteuert, so auch Zahrnt. Keynes hingegen hatte immer Vollbeschäftigung als oberstes Ziel.
Und dann kam Griechenland: vor der Finanzkrise sind die Exporte Griechenlands stärker gestiegen als die Deutschlands. Deutschland war der „Obernutznießer“ dessen, dass die Südeuropäer schulden gemacht hat, sagt Schulmeister. Die Therapie in Griechenland hat heute eine völlig andere Dimension als in den anderen südeuropäischen Ländern. Das Arbeitslosengeld liegt in Griechenland durchschnittlich bei 1000€ – pro Jahr. Das ist aber ein statistischer Wert, weil ein Großteil der Arbeitslosen überhaupt keine Arbeitslosenunterstützung bekommen. Wir brauchen standortgebundene Arbeitsplätze im Bereich der sozialen Dienstleistungen, aber auch der Bauwirtschaft. Eine Chance dafür gäbe es zwar erst nach der nächsten Krise.
Wie diese Chance aussehen kann, darüber herrschte aber Uneinigkeit. Während Schulmeister die alten (möglichen) Tugenden der Sozialdemokratie hoch hielt und dafür kämpfen möchte, dem Staat mehr Einfluss und Aufgaben zuzugestehen, brach etwa die Unternehmerin Lisa Muhr („Göttin des Glücks“) aus den Publikum eine Lanze für die vielen Initiativen von unten, die sich etwa unter dem Dach der „Gemeinwohlökonomie“ versammeln, der Schulmeister hingegen naive Theorielosigkeit vorwarf.
Als Reaktion auf diesen Disput wurde aber gesagt, es ginge vielmehr darum, die unterschiedlichen Sichtweisen in einer Bewegung zu vereinen. Die Gegner wären doch eher das internationale Finanzkapital mit seinem Einfluss auf die Politik.