Das heißeste Thema der aktuellen Politik in Europa, die Bewältigung der Flüchtlingskrise, bildete unter dem Titel „Migration – Bewegung von Menschen“ auch den Anlass für eine spannende Diskussion am zweiten Abend der Konferenz. Das Verhalten von Einheimischen gegenüber Fremden, ob sie vor Krieg und politischer Verfolgung flüchten oder auf der Suche nach besseren wirtschaftlichen Verhältnissen sind, wurde ebenso angesprochen wie die erkennbare Unfähigkeit der Politik, auf die Herausforderungen schnell reagieren, oder die tiefer liegenden, häufig kolonialen Ursachen für große Wanderungsbewegungen zwischen den Kontinenten.
In einem Eingangsvortrag stellte Gudrun Biffl, die an der Donau-Universität Krems den einzigen Lehrstuhl des Landes für Migrationsforschung innehat, die Flüchtlingssituation für Österreich dar. In einer unveröffentlichten Studie vom August 2015 sei mit einem Zugang von 90.000 bis 100.000 Flüchtlingen in den nächsten drei Jahren nach Österreich kalkuliert worden. Wichtig sei, schnell mit der Integration zu beginnen. Das sei für die Menschen besser und verringere auch die Kosten für die Eingliederung. Für den Bildungsbereich werde mit Integrationskosten in Höhe von 70 Mio Euro gerechnet, die Integration in den Arbeitsmarkt werde mit 75 Mio veranschlagt. Ein weiterer Posten seien die Sozialhilfekosten. „Die größte Herausforderung ist das Management der Schnittstellen zwischen den Hilfsbereichen“, erklärte Biffl.
Auf eine grundsätzlichere Ebene hob Maria Do Mar Castro Varela von der Alice Salomon-Hochschule in Berlin die Diskussion. Die derzeitige Obergrenze von 3200 Flüchtlingen pro Tag in Österreich hielt sie für „nicht vereinbar mit der Genfer Flüchtlingskonvention“. Vor schnellen Ad hoc-Aktionen durch die Politik sollte eine differenzierte Analyse der Ursachen und Handlungsbedingungen gestellt werden, forderte die deutsche Sozialwissenschaftlerin. „Wir müssen beantworten, woher diese Ressentiments gegen Flüchtlinge kommen, die auch sehr schnell in Gewalt umschlagen können“, mahnte Frau Do Mar Castro.
Alexander Bodmann von der Caritas Wien verwies indes auf einen gegenläufigen Trend in der Bevölkerung. Bei allen 30 Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen, die in den letzten Monaten von der Caritas eingerichtet wurden, habe sich eine Bürgerinitiative zur positiven Unterstützung gebildet. Es gebe mehr Spenden als je gedacht. „Die Problematik ist keineswegs so groß, wie sie von den Medien dargestellt wird“, sagte Bodmann. Prof. Biffl berichtet ergänzend, dass in kleinen Gemeinden, die Asylsuchende bei sich aufgenommen hatten, die FPÖ in der nachfolgenden Wahl jeweils weniger Stimmen bekommen habe.